Kirschblüten und Silbermünzen

An einem Ort am Döbraberg lebte die Witwe eines armen Handwebers mit ihren vier unmündigen Kindern. Im Sommer mußte der älteste Knabe als Hütbub zu den Bauern. Seine Geschwister spulten Tag für Tag den Webern des Dorfes, um ihrer Mutter, die sich ihr karges Brot auch mit Weben verdiente, das Leben zu erleichtern.

An einem Weihnachtsheiligabend sagte die Mutter zu ihrem Ältesten:“ Hol noch etwas Reisig, daß wir zum Fest mit der Feuerung nicht sparen müssen!“ Als der Sohn seinen Ziehschlitten mit dürren Ästen hoch beladen hatte, kehrte er in der Dämmerung heim.

Wie er aber zum alten Vogelkirschenbaum am Waldrand kám, stand der in voller Blüte. Um nun der Mutter und den Geschwistern eine besondere Freude zu machen, schnitt er sich einen großen Strauß weißblühender Zweige ab.  Zu Hause steckte er sie in einem Topf und stellt ihn unter das Christbäumchen.

Am ersten Feiertag früh fanden sie zu ihrem Schrecken die Kirschzweige wie einen Reisigbesen aus dem Gefäß starren. Die Blütenblätter waren abgefallen. Statt ihrer lagen auf dem weißen Tischtuch um den Topf lauter harte Taler. Nachdem sich die Witwe von ihrem Erstaunen gefasst hatte, umschlang sie ihre Kinder voller Freude. Gemeinsam dankten sie Gott für die reiche Gabe, die ihnen aus der Not half. Kaum hatten die Nachbarn von diesem Glück erfahren, rannten sie alle zum Vogelkirschenbaum. Der aber stand kahl am Waldrand.      dipf