Wer wird mein Mann?

Für unsere Vorfahren waren die Rauhnächte, auch Losnächte genannt von besonderer Bedeutung. In dieser Zeit stand nach überliefertem Volksglauben das Geisterreich offen. Orakel hatten eine besondere Wirkung wie auch die Geisterstunde, der Ort der Erkenntnis, ein Kreuzweg, ein Raum und vor allem ein magisches Verhalten mit bestimmten überlieferten Ritualen. So bot eine dieser Nächte unverheirateten Frauen oder Mädchen die einmalige Gelegenheit, um Mitternacht ihren künftigen Bräutigam als Spiegelbild zu sehen. Die 17-jährige Sofie hatte neugierig der Erzählung ihrer älteren Schwester gelauscht, nun war es soweit, sie wollte ihren künftigen Bräutigam sehen. Freilich hatte sie schon heimlich  sich einen Burschen ausgesucht, doch Neugierde und auch ein bisschen Eifersucht trieben sie an, sie wollte es nun wissen, ist er`s oder?

Mit ihrer jüngeren Schwester schlief sie in einem Raum im Spitzboden des alten Bauernhauses. Ihre Schwester musste schwören, ganz leise zu sein und, mag kommen was will nicht zu reden geschweige jemanden etwas zu erzählen, dann erklärte sie ihr den Ablauf.

Sie kuschelten sich im gemeinsamen Bett, der schon eingetretene Winter hatte viel Schnee und große Kälte gebracht und seit Tagen pfiff der Ostwind ums Haus.

Kurz vor Mitternacht stieg Sofie aus dem warmen  Bett und zog sich splitternackt aus. Nur das zuckende Licht einer Kerze erhellte etwas den Raum. Heimlich hatte sie einen Spiegel in das Zimmer gebracht, vor dem sie sich hinstellte. Sie fror erbärmlich. Dann griff sie zum Salzhering, der entgrätet in einer kleinen Schüssel auf dem Stuhl stand. Aus der mitgehörten Erzählung ihrer Schwester wusste sie, dass der gesalzene Hering roh gegessen werden musste, bevor die Uhr Mitternacht schlug. Sie nahm den Salzhering, bis ein Stück herunter und würgte es biss für bis hinunter, Tränen stiegen ihr in die Augen und der Durst war schon fast schmerzhaft, doch getrunken werden durfte nichts. Dann hörte sie den Regulator zwölf Uhr schlagen. Da, im Spiegel sah sie etwas, verschwommen zwar aber doch so deutlich, noch ein Blick – ihr Magen würgte einen Heringsbissen herauf und qualvoll stöhnte sie auf. „Siehst du ihn wohl schon?“ Ihre Schwester konnte die Frage nicht mehr zurückhalten. Die Kerze flackerte stark, der Kauzruf war deutlich zu hören, das Gebälk ächste unter der Schneelast und …….. der Spuk war vorbei. Ob Sofie Jahre später den Mann geheiratet hat, den sie im Spiegel in nächtlicher Stunde gesehen hat, ja wer weiß?

Jedenfalls hat sie etwas gesehen und wer es nicht glaubt, sollte einfach das Ritual mit dem Salzhering selbst probieren, dann weiß er es.      dipf